Podiumsveranstaltung in Paris am 9. Oktober 2024 im besetzen Betrieb «M.A. France», Zulieferer und zugehörig zum Stellantis-Konzern

9.10.2024: Korrespondenz: Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen der seit 6 Monaten andauernden Besetzung des Betriebs MAFrance statt, der wegen Verlagerung in die Türkei im April geschlossen wurde. Die ehemals Beschäftigten wollen mit der Besetzung den Abtransport der Maschinen und die Zerstörung der Fabrik verhindern. Sie widersetzen sich der Schließung bzw. fordern Ersatzarbeitsplätze, eine höhere Abfindung, und dass sie mit Würde behandelt werden statt nach 20 oder 30 Jahren Arbeit mit 15 000 Euro abgespeist zu werden. Es geht um 350 Arbeitsplätze, die Zeitarbeiter eingeschlossen. Die Werksschließung hat Dramen ausgelöst bis zu Selbstmordversuchen.

An der Besetzung nehmen ca. 50 – 60 Kollegen aktiv reihum teil. Das Werk wurde zu einem Lebensmittelpunkt umfunktioniert mit Essraum, Betten usw. Die Arbeiter sind rund um die Uhr und an allen Tagen der Woche im Werk. Die Streikkasse hat bisher ca. 30 000 Euro gebracht. Das Geld wird nicht ausgezahlt, sondern für die gemeinsame Besetzung verwendet (Essen, Fahrtkosten, Flugblätter…) Die Gewerkschaft CGT des Betriebs, die Ortsverwaltung und des Departements organisieren und unterstützen den Kampf, andere Gewerkschaften haben wir nicht gesehen.

 

Podiumsdiskussion: Insgesamt ca. 60 Personen. Zugegen waren die Chefin der CGT, Sophie Binet, ein Vertreter der CGT des Departements, ein Vertreter der PCF (Kommunistische Partei Frankreichs) im Parlament und eine Vertreterin von LFI (La France Insoumise von JL Melenchon).

Im Publikum einige Werksbesetzer (relativ wenige, andere sind in staatlicher Fortbildung), Journalisten, Stadtverordnete, linke Unterstützer.

Die Weltwirtschafts- und Strukturkrise im Autobereich fordert ihre Opfer: in den letzten Jahren wurden 100 000 Arbeitsplätze im Metallbereich Frankreichs vernichtet, weitere 100 000 sind bis 2030 zu befürchten. Aktuell gibt es 180 Betriebe, die Entlassungen angekündigt haben. Die Autoverkäufe sind im freien Fall (2020: 2 Mio., 2023 1,3 Mio.). Es wird keineswegs nur bei Autos mit Verbrennungsmotoren entlassen, auch wenn es um Elektroautos geht und oft sind es Verlagerungen ins Ausland.

Bemerkenswert war, dass ALLE Podiumsredner (Gewerkschaft und Parteien) zwar der Besetzung applaudierten, aber auf parlamentarische Lösungen orientierten! Die kämpfenden Kollegen sind natürlich dankbar für die Anwesenheit und Unterstützung der Parteivertreter und der Abgeordneten, ihre Vorschläge stießen aber nicht auf Begeisterung. Sie führen ihren Kampf eher hartnäckig weiter, trotz vieler Zweifel. Es meldeten sich in der anschließenden Diskussion Kollegen auch nur in diesem Sinn zu Wort.

Vertreten wurde vom Podium, dass neue Gesetze her müssten, dass z.B. über Subventionen Rechenschaft abgelegt werden müsse, dass die Regierung feige sei und alles hinnehme, dass sie wirtschaftlich keine Strategie habe; dass die Autoproduktion als wichtiger Wirtschaftsbereich Frankreichs kaputt ginge, dass neue Investitionen für Data-Center oder neue Betriebe für den Bau von Elektrobatterien keine Arbeitsplätze bringen, wenn keine Autoproduktionskette mehr besteht usw. Wir bräuchten keine Luxusautos, wie sie gegenwärtig gebaut würden, sondern preiswerte, möglichst umweltverträgliche, die man sich als Normalverbraucher leisten könne.

Wieviel Hoffnung soll man nun in diese Lösungsvorschläge setzen? Die LFI-Vertreterin stellte, wohl eher unfreiwillig dar, wie in den letzten Jahren alle ihre Versuche, beschäftigungsfördernde Initiativen im Parlament durch zu bringen, scheiterten.

Sie rechnete auch nach, dass die Autoproduktion in Frankreich gar nicht so schwach im internationalen Wettbewerb sei. Sollen wir also in Konkurrenz mit den Kollegen im Ausland treten?? Mehrere Redner, auch die CGT, trommelten auch für «Souveränität» in der Produktion! Also gemeinsamer Nationalismus mit «unseren Kapitalisten» gegen den Rest der Welt??

Wir berichteten als Aktivisten für die Autokoordinierung vom Opel-Fest in Bochum und wie die Kollegen diesen Kampf gewonnen haben: mit der Organisierung der Solidarität und des Internationalismus unter allen Arbeitern, ob in Deutschland oder anderswo, durch ihre eigene Initiative und einen hartnäckigen unbefristeten Streik. Das müsse jetzt organisiert werden; die internationale Autokrise braucht eine internationale Antwort mit harten Angriffen in Deutschland und anderswo. Wir kündigten eine Delegation aus Deutschland zum Autosalon an und schlugen vor ein internationales Ereignis daraus zu machen. (Applaus)

Ein Genosse ging darauf ein, nicht auf bürgerliche Politiker zu hoffen, wir haben es mit einem System zu tun und Arbeiter und Kapitalisten haben entgegensätzliche Interessen. Wir brauchen Sozialismus. Auch er bekam Beifall und ein Kollege sprach nachher ganz klar von der Komplizenschaft der bürgerlichen Politiker.

 

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