IAC Ford-Infobrief 1/23
Die Arbeiterklasse in mehreren Ländern, v.a. Griechenland und Italien hat den Transport von Waffen der NATO in die Ukraine zeitweise blockiert. Mit der Losung „Löhne rauf, Waffen runter“ lehnen sie den Krieg und die Abwälzung der Kriegskosten auf die Massen ab. Das prägte den 1. Mai 2022 und auch Massenproteste unter Führung der Arbeiterklasse in vielen Ländern. Russland, Ukraine und NATO haben den Krieg weiter eskaliert und damit die akute Gefahr eines atomaren Weltkriegs heraufbeschworen. Die globale Umweltkrise ging Ende 2022 über in den Beginn einer globalen Umweltkatastrophe. In verschiedenen Ländern kam es zu einem beginnenden Schulterschluss zwischen Arbeiter- und Umweltbewegung. Die Automobilarbeiter sind von diesen Entwicklungen besonders betroffen: Der Konkurrenzkampf zwischen die Automobilkonzernen hat sich enorm verschärft mit der Umstellung auf E-Moblität und der Rivalität „ihrer“ Länder um Lieferketten und Märkte. Zudem hat sich der globale Wirtschaftskrieg durch die 2018 begonnene Überproduktionskrise verschärft.
Ford ist zurückgefallen im weltweiten Konkurrenzkampf bei der Umstellung auf vollelektrische Autos und fordert die Belegschaften mit massiven Angriffen auf die Arbeitsplätze heraus. 10,4 Milliarden Dollar Gewinn 2022 sind nicht genug, 11,5 Milliarden waren geplant. Die US-Regierung hat mit dem „Inflation reduction act“ ein riesiges Subventionsprogramm in den USA aufgelegt. Das dürfte für Ford ein konkreter Grund sein, die Fahrzeugentwicklung auch für Europa in den USA zu konzentrieren. 65% der Beschäftigten der Entwicklungszentren in Köln, Dunton (Großbritannien) und Lommeln (Belgien) sollen "eingespart" werden. Früher als ursprünglich geplant will Ford in der EU ab 2030 nur noch E-Autos bauen, bis Mitte 2025 sollen die Modelle Mondeo, Fiesta, Galaxy, S-MAX und Focus auslaufen. Davon sind Valencia, Saarlouis (soll 2025 geschlossen werden) und Köln betroffen. In Valencia sollen 1140 Arbeitsplätze vernichtet werden, die Löhne wurden gekürzt und die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Ford will sich auf Nutzfahrzeuge und das hochpreisige Segment konzentrieren. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Ford mit der PKW-Produktion mittelfristig ganz oder weitgehend aus Europa zurückzieht.
Mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine 2022 hat Ford sein Joint Venture mit der russischen Forma Sollers eingestellt.Vorher hatte sich Ford bereits weitgehend aus Russland zurückgezogen. Ford ist im Rennen um die E-Mobilität spät gestartet und versucht jetzt, aggressiv aufzuholen.
Das lassen sich die Arbeiter aber nicht gefallen. In Frankreich, Italien, Iran, Deutschland, Großbritannien, Griechenland und anderen Ländern sehen wir eine erwachendes Klassenbewusstsein.
In Köln trifft die Ankündigung, 2.300 Arbeitsplätze zu vernichten, nach dem kämpferischen Warnstreik in der Tarifrunde unter einem Teil der Belegschaft auf die Reaktion: "Es reicht! - Wir lassen uns nicht mehr alles gefallen!", "Wenn die damit durchkommen, machen sie immer weiter." (weiter s.u. „Köln“).
In dieser Auseinandersetzung geht es um alle Standorte in Europa. Die nötige Antwort muss ein standortübergreifender, europaweiter Streik sein. Ein erster Schritt wäre ein europaweiter Aktionstag aller Ford-Belegschaften zur Verteidigung aller Arbeitsplätze, für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und ein umfassendes Streikrecht!
Ford-Kollegen in Frankreich und Venezuela beteiligten sich vornedran an Streiks und Massenkämpfen gegen die reaktionäre Regierungspolitik und imperialistische Einmischung.
Ford hat den ganzen Konzern umstrukturiert und ihn aufgeteilt in Ford Model E (E-Autos), Ford Pro (Service/Software/Händler) und Ford Blue (Verbrennersparte). Um im Konkurrenzkampf nach vorn zu kommen, setzt Ford nun auf Premiumautos. Das neue SUV-E-Modell, das in Köln auf einer Plattform von VW gebaut wird, soll Abenteuer versprechen, zum Preis ab „schlappen“ 45.000€.
Ford baut auch die Zusammenarbeit mit der Türkei und der KOC Familie aus. Das Werk im rumänischen Craiova wurde an das Joint-Venture FordOtosan verkauft. Dort wird der Puma hergestellt auf der Fiesta-Plattform aus Köln, aber nicht mehr lange, dann werden alle Werkzeuge an Presswerke in der Türkei verkauft für FordOtosan. Der Puma soll zeitnah auch nur noch vollelektrisch hergestellt werden, entwickelt von der KOC Holding. Und den Kollegen in Köln wird erzählt, dass der Fiesta angeblich nicht elektrifiziert werden könne!
Dazu braucht Ford natürlich auch mehr seltene Erden und Metalle, wofür es sich weltweit in verschiedenen Ländern Rechte erkauft oder mit Firmen zusammengetan hat. Folgen sind ein weiterer Raubbau an der Natur und oft menschenverachtende Arbeitsbedingungen in den Bergwerken.
Ford hatte schon 2022 70% der Batteriekapazitäten eingekauft, um bis 2026 mehr als 2 Millionen Elektrofahrzeuge pro Jahr weltweit zu produzieren. Ford plant, sich bis 2026 vierzig GWh pro Jahr an Lithium-Eisen-Phosphat Kapazitäten in den USA zu sichern. Mit der Firma CATL (Contemporary Amperex Technologie Co. /USA), dem weltweit größten Batteriehersteller, wurde eine Vereinbarung über strategische Zusammenarbeit getroffen. Geplant ist die direkte Beschaffung von Batteriestoffen in den USA, Australien, Indonesien und mehr. Mit Bergbauunternehmen Vale Canada Ltd., PT Vale Indonesia und Juayou Cobalt unterschrieb Ford Absichtserklärungen und treibt so die Ausbeutung der Erde voran.
Bordeaux (Frankreich)
Ford hatte das Getriebewerk im März 2021 an MAGNA verkauft. Ende 2022 erfuhr die Belegschaft vom Verkauf der Fabrik an MUTARES, einen deutschen „Verwertungs“-Fonds, der die Fabrik Ende 2024 liquidieren will. Ford ist weiterhin der einzige Kunde. Mit dem Ende des Fiesta in Köln im Juni 2023 wird die Produktion weiter reduziert, das Ende der Nachtschicht ist im März geplant.
„Eine Fabrik am Ende ihres Lebens, am Ende ihres Atems ohne jegliches industrielles Projekt seitens Ford“, schreiben Kollegen aus Bordeaux.
Sie berichten aber auch stolz über ihre Teilnahme an den Großdemonstrationen gegen die Rentenpläne der Regierung.
Valencia (Spanien)
Die Produktion der PKWs mit Verbrennermotoren wird vermutlich vorzeitig eingestellt. Dem ganzen Werk in Valencia droht das Aus bis 2030. Ford hat beantragte und bereits zugesagte Subventionen der EU zur Umstellung auf E-Mobilität für das Werk in Valencia in Höhe von 106 Millionen Euro abgelehnt. Zwei Modelle hatte Ford ursprünglich geplant. Der „Bieterwettbewerb“, den Valencia gegen Saarlouis gewonnen hatte, stellt sich – wie erwartet - als Betrug gegenüber allen Belegschaften heraus. Ob es dort eine europäische E-Plattform für ein weiteres E-Modell überhaupt gibt, ist noch gar nicht entschieden. Der Verzicht von Lohnbestandteilen, Ausweitung der Arbeitszeit und Abbau von Arbeitsplätzen wurde aber bereits umgesetzt. Ford lässt es weiter offen, welche Modelle ab wann gebaut werden sollen. Die spanische Regierung sucht nach Wegen, Ford die nicht abgerufenen Subventionen zukommen zu lassen.
Kämpferische Gewerkschafter wie der STM sind der Ford-Geschäftsführung ein Dorn im Auge. Sie versucht, mit Drohungen und Mobbing deren Widerstand zu unterdrücken. Die Kollegen von STM wandten sich mit einem Aufruf zur Solidarität an Kollegen in aller Welt. 60 internationale Solidaritätsbekundungen insgesamt sind daraufhin in Valencia eingegangen. Die IAC veröffentlichte diesen Aufruf auf ihrer Webseite.
Venezuela
Kollegen von Ford berichten: „Gewerkschaft von Ford Motor Venezuela mobilisiert gegen die Wirtschaftsblockade und Sanktionen, die vom imperialistischen Block USA - EU verhängt wurden. Die Arbeiterklasse zusammen mit der Bolivarischen Föderation, Vizepräsidentschaft der Arbeiterklasse und anderen antiimperialistischen Sektoren zur Unterstützung von Nicolás Maduro Moros, für die Vertiefung des bolivarischen Prozesses, nationale Befreiung und Sozialismus! Im Angesicht des Imperialismus, es lebe der Sozialismus!“
Ford-Kollegen in Venezuela gegen Sanktionen von USA und EU
Zum Warnstreik bei Ford in Köln im Tarifkampf 2022 haben die Kollegen eine Solidaritätserklärung geschickt:
„Empfangen Sie brüderliche Grüße von der kämpferischen Gewerkschaft von Ford Motor de Venezuela und anderen Arbeitnehmern des Automobilsektors, die sich mit unseren Kolleginnen und Kollegen von Ford Colonia Alemania in ihrem Kampf für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen solidarisieren, die in den letzten Wochen mutig Lohnerhöhungen und Verbesserungen ihrer vertraglichen Leistungen gefordert haben.
Der Streik ist ein Ausdruck der Organisation der Arbeiterklasse gegen die Offensive des transnationalen Kapitals. Die Monopole haben die Pandemie und ihre Krise ausgenutzt, um zu versuchen, ihre Arbeitnehmer zu unterbieten, um ihre maximalen Gewinne zu erhalten.
Unsere Aufgabe ist es, angesichts der sich verschärfenden Klassenwidersprüche weiterhin den höchsten Organisationsgrad für die künftigen Mobilisierungen und Forderungen der Arbeiterklasse zu fördern.
Aus diesem Grund schätzen wir alle Bemühungen der kämpferischen Arbeiterorganisationen in Europa, den Ausschreitungen der Bourgeoisie mit Straßenmobilisierungen zu begegnen, sehr.
Lasst uns ohne zu zögern im Kampf für eine bessere Lebensqualität voranschreiten und weiterhin die Arbeiterklasse gegen die Ausbeutung durch die Monopole organisieren, wir werden siegen!“
Wie in Spanien geht Ford in Venezuela gezielt gegen die Gewerkschaft der Ford-Kollegen vor, um diese mit Abfindungen zur „freiwilligen“ Kündigung zu drängen, damit die Zahl der bei Ford beschäftigen Gewerkschafter so weit sinkt, dass sie ihre Rechte als Gewerkschaft verliert. Das IAC-Komitee „Arbeitersolidarität Köln“ hat eine Protest- und Solierklärung nachVenezuela geschickt.
Köln (Deutschland)
Am 23. Januar war die Kölner Belegschaft informiert worden, dass Ford in Deutschland und Europa die Vernichtung von Arbeitsplätzen massiv vorantreiben will, davon 3.200 Stellen alleine in Köln. Auf einen Betriebsversammlung im Februar präsentierten der Chef von Ford-Europa Martin Sander und der Betriebsratsvorsitzende Benjamin Gruschka eine Vereinbarung, die eine Vernichtung von 2300 Stellen in Köln vorsieht mit Abfindungen bei „freiwilligem“ Ausscheiden. Offene Entlassungen sollen bis 31. Dezember 2032 nicht erfolgen.
Auch wenn das manche zunächst beruhigte - es ist ein Tod auf Raten. Mit der Betonung vom "freiwilligen" Ausscheiden und erhöhten Abfindungen reagiert Ford auf die Kampfbereitschaft der Belegschaft. In der Tarifrunde 2022, bei Betriebsversammlungen, in Diskussionen der Vertrauensleute und in den Produktionshallen macht der Gedanke, selbständig zu streiken, immer mehr die Runde. Stattdessen betonten sowohl Sander als auch Gruschka, dass man Ruhe bräuchte und sich nicht im ständigen Kampf ergehen könne. Das ist eine Wunschvorstellung von Gruschka und Sander. Die Wirklichkeit der Arbeitsplatzvernichtung und das auch zuletzt weiter gewachsene Selbstbewusstsein in der Belegschaft wird keine Ruhe auf Dauer zulassen.
Die Betriebsratsspitze hatte die Parole "Kampf um jeden Arbeitsplatz!" schnell über Bord geworfen und den Weg der Klassenzusammenarbeit verfolgt, der von vornherein eine Kapitulation war. Das wurde von kämpferischen Kolleginnen und Kollegen in Redebeiträgen auf Betriebsversammlungen kritisiert. Wenn man eine Show inszeniert, dabei eine weit höhere Zahl als "Worst case" ausgibt und dann ein darunter liegendes Ergebnis präsentiert, kann das doch nicht als Erfolg verkauft werden! In den letzten Jahren wurden trotz "Standortsicherung" 6.000 Arbeitsplätze abgebaut. Sie kritisierten, dass kein richtiger Kampf geführt wurde. Die Kollegen müssen sich darüber im Klaren sein, dass dieser von der Belegschaft selbständig geführt werden muss und wir ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht (das es in Deutschland nicht gibt) erkämpfen müssen. Der Unternehmerverband gibt mit seinem versuchten Angriff, es noch mehr einzuschränken, geradezu eine Steilvorlage, das sowieso sehr eingeschränkte Streikrecht zum Thema zu machen.
Die Stimmung unter der Belegschaft ging von Erleichterung, v.a. unter den Kolleginnen und Kollegen der Produktentwicklung bis Ernüchterung und Enttäuschung über die Akzeptanz der Arbeitsplatzvernichtung. Sie müssen jetzt viel verarbeiten. Zu gut kennt man das Management der letzten Jahre und die Skepsis, v.a. gegenüber der Zentrale in den USA, ist groß. Die gewachsene Kampfbereitschaft und damit das Selbstbewusstsein können nicht einfach so beiseite geschoben werden. Was sind denn die Zusagen auf Verzicht betriebsbedingter Kündigungen wert? Wie oft hat die Geschäftsleitung schon ihr Wort gebrochen? Es muss jetzt weiter geklärt werden, dass der einzige Weg konsequent für Arbeiterinteressen der selbständige Streiks ist.
Saarlouis (Deutschland)
Die Fabrik in Saarlouis soll mit der Produktion des „Focus“ 2025 geschlossen werden. 4.600 Beschäftige sollen ihre Arbeit verlieren, zusätzlich siind 1600 Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie in der Region Saarlouis bedroht.
IG Metall und Betriebsratsspitze hoffen auf Investoren, die wenigstens eine Teil der Beschäftigten von Ford übernehmen. Zuletzt zeigte der chinesische Hersteller BYD Interesse, nahm aber wieder Abstand davon. Ansonsten liegt laut dem Betriebsratsvorsitzenden keine einzige Absichtserklärung oder Zusage vor.
Der richtige Weg ist, den nach der Bekanntgabe der Schließung begonnenen selbständigen Streik mit Autobahnblockade und Protest auf der Straße wieder aufzunehmen. Seitdem wurden vielfältige Kampfformen und Solidarität entwickelt in der ganzen Region und auch von Kollegen aus Köln. Das IAC-Komitee „Arbeitersolidarität Köln“ besuchte die Belegschaft in Saarlouis und bei einem Protesttag der IGM, überbrachte ihre Solidarität und machte die Automobilarbeiterkonferenz bekannt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen bei Ford
wir freuen uns auf Berichte vom Internationalen Kampftag der Arbeiter am 1.Mai, des weiteren bereiten wir mit den Delegiertenversammlungen die nächste Automobilarbeiterkonferenz vor, auch darüber werden wir berichten und freuen uns auf eure Berichte.
Solidarische Grüße
eure Automobilarbeiterkoordination Ford
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